Kritik an Deutschlands Ukraine-Kurs wächst

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Berlin (Reuters) - Die Kritik der EU-Partner an der Bundesregierung wegen des Umgangs mit der Ukraine-Krise wird immer lauter.

"Die aktuelle deutsche Politik gegenüber Russland genügt in keiner Weise den Anforderungen der Nato, der EU und der deutschen Partner", sagte der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks zu "Bild". Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb am Dienstag auf Facebook: "Ich beobachte mit Sorge die Situation in der Ukraine und die Reaktionen unserer Nachbarn in Deutschland angesichts der Bedrohung aus Russland." Der Botschafter der Ukraine in Berlin, Andrij Melnyk, erneuerte seinen Appell, dass auch Deutschland Defensiv-Waffen an sein Land liefern solle.

Pabriks kritisierte, dass Deutschland keine Waffen an die Ukraine liefere und auch den Export deutscher Waffen über Estland in die Ukraine unterbinde. Dies sei "in allen drei baltischen Staaten und auch allen nordeuropäischen Staaten als beschämende Position empfunden worden". Er betonte: "Wenn Sie jemandem verbieten, sich Mittel der Verteidigung zu beschaffen, unterstützen Sie nicht den Frieden. Im Gegenteil." Botschafter Melnyk forderte die Bundesregierung im ZDF dazu auf, "viel aktiver zu agieren, wir brauchen dringend Defensiv-Waffen". Die Ukraine könne nicht auf Beistand der Nato hoffen. "Wir sind alleine." Er hoffe, dass "die Deutschen aufgerüttelt werden und erkennen, wir stehen vor der größten Gefahr seit dem Zweiten Weltkrieg".

Die Bundesregierung verweigert Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag, nach dem solche Exporte in Krisen- und Kriegsgebiete verboten sind. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Montagabend noch einmal bekräftigt: "Wir liefern keine lethalen Waffen." Anders verhält es sich mit einer geplanten Lieferung von Haubitzen aus Estland an die Ukraine. Die Waffen stammen aus DDR-Beständen und wurden von Deutschland zunächst nach Finnland und dann weiter nach Estland gegeben. Einem Weiterverkauf muss die Bundesregierung zustimmen. Scholz sagte, der Vorgang befinde sich nach wie vor in der Prüfung.

AGENTUR: RUSSLAND PRÜFT GEFECHTSBEREITSCHAFT

Russland begann einem Agenturbericht zufolge unterdessen an der Grenze zur Ukraine mit Inspektionen der Gefechtsbereitschaft seiner Truppen. In die Maßnahmen in Russlands südlichem Militärbezirk seien mehr als 6000 Soldaten einbezogen, meldete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das russische Militär. Russland hat an der Grenze zur Ukraine rund 100.000 Soldaten zusammengezogen. Die Regierung in Moskau weist den Vorwurf zurück, eine Invasion vorzubereiten. Sie fordert aber Sicherheitsgarantien der Nato wie eine Absage an eine Aufnahme der Ukraine. Die Allianz lehnt dies mit Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht von Staaten ab, hat der Ukraine bislang aber keine konkrete Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt.

Am Montag hatte die Nato angekündigt, ihre Kampftruppen in Osteuropa zu verstärken. Die US-Regierung erklärte, 8500 Soldaten in Transportbereitschaft zu versetzen. Das Präsidialamt in Moskau erklärte dazu am Dienstag, das Verhalten der Washingtoner Regierung verschärfe die Spannungen. Russland beobachte die Entwicklungen mit großer Sorge. Trotz der zunehmenden Spannungen will das sogenannte Normandie-Format aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine am Mittwoch in Paris das erste Mal seit mehr als zwei Jahren wieder zusammenkommen - auf Ebene der Politischen Direktoren. Unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs hatten Russland und die Ukraine 2015 das Minsker Abkommen zur Befriedung der Ostukraine vereinbart.

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