MSCI World, S&P 500, Dax und Co: Wie ETF-Sparplan-Investoren in der derzeitigen Marktlage navigieren sollten

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Kaum war die Stimmung an den Finanzmärkten je so ungemütlich wie derzeit. Sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich befindet sich die Welt in einer der unsichersten Phasen seit Jahrzehnten. Auch langfristig orientierten Sparplan-Anlegern kann der Blick auf die Kursentwicklungen der letzten Monate daher die Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Für ETF-Anleger, die langfristig mittels Sparplänen in den breiten Markt investieren, ist ein Fokus auf die Makro-Perspektive wichtiger als der Blick auf Entwicklungen bei Einzelwerten. Trotz diverser Krisen hat in den letzten Jahrzehnten kein Weg an Aktien vorbeigeführt. Eine seit den 80ern gemessene durchschnittliche jährliche Performancerate von 9 Prozent mit einem Investment in den breiten Markt, beispielsweise über den MSCI World Index, war Investoren trotz aller Krisen, die die Märkte in dieser Zeit erschüttert haben, sicher.

Sich blind auf vergangene Messwerte zu verlassen, sollte jedoch nie die Strategie einer Investorin oder eines Investors sein, wenn man langfristige Erfolge erzielen möchte. Einer der Grundsätze beim Investieren lautet: Investiere nur in Dinge, die du auch im Ansatz verstehst. Für ETF-Investoren ist daher zumindest eine grobe Einschätzung der Makro-Perspektive wichtig, um emotionalen Handlungen durch voreilige Käufe oder Verkäufe vorzubeugen.

Was bewegt den Markt?

Um eine halbwegs runde Einschätzung der derzeitigen Marktlage vornehmen zu können, muss man bis auf die Finanzkrise 2008 zurückblicken, die in Kombination mit der Eurokrise aus dem Jahr 2011 die Märkte enorm erschüttert hat. Die durch eine Immobilien-Kredit-Blase verursachte Krise hat eine erhebliche Intervention der Zentralbanken notwendig gemacht und dazu geführt, dass diese die Leitzinsen auf Null gesenkt und die Märkte an den sinnbildlichen Tropf künstlicher Liquidität gehängt haben.

Abseits der vielen langfristigen Gefahren für die Finanzmärkte und die Wirtschaft hat dieses Umfeld jedoch für einen Bullenmarkt gesorgt, der gut ein Jahrzehnt lang an den Märkten geherrscht und Aktien in einem Umfeld niedriger Zinsen alternativlos gemacht hat. Anleger, die in dieser Zeit ETF-Sparpläne befüllt haben, konnten sich Ende des letzten Jahrzehnts über erhebliche Gewinnzuwächse ihrer Portfolios freuen.

Die Corona-Krise folgte 10 Jahre später als erstes „Black Swan Event“ nach der Finanzkrise und hat einen Crash an den Märkten ausgelöst, der die Strukturen der Finanzwelt einmal mehr auf existenzieller Ebene bedroht hat. Durch die erneute Intervention der Notenbanken konnte diese Bedrohung jedoch erneut abgewendet werden und die anschließende Erholung der Aktienmärkte war spektakulär. Mutige Investoren, die im Tief des Corona-Crashs im März 2020 eingestiegen sind, konnten ein Jahr später auf fantastische Renditen blicken. Auch die Strategie des langfristigen Anlegens mittels Sparplänen in ETFs hat sich in dieser Zeit erneut bewährt, da man durch diese Vehikel die Tiefststände vieler Aktien und die anschließende Erholung über den ganzen Zeitraum mitgenommen hat.

Auch nach dem Durchstehen der ersten Schockwellen der Corona-Pandemie, die die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt hat, hat sich das alte Argument für das passive Investieren damit scheinbar weiterhin als gültig erwiesen: Die Märkte steigen langfristig immer und jede Krise kann mittels regelmäßigen, breit gestreuten Investierens ausgesessen und zum Vorteil genutzt werden.

Spätestens seit dem Jahreswechsel 2021/22 beherrschen jedoch zwei neue Risikofaktoren die weitere Entwicklung des Marktes. Eine davon ist ein Resultat aus den beschriebenen Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts, die andere eine Folge der seit einigen Jahren wieder wachsenden Spannungen auf geopolitischer Ebene: Die eingeleitete Zinswende der US-Notenbank und der ausgebrochene Ukraine-Krieg.

Zunächst muss man sagen: Die Corona-Pandemie als negativer Einflussfaktor für die Aktienmärkte ist noch nicht verschwunden. Das Virus grassiert weiterhin weltweit und die Notwendigkeit weiterer Lockdowns, die der Wirtschaft schaden, können nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil, momentan sehen wir mit neuen Lockdowns in mehreren chinesischen Städten einmal mehr negative wirtschaftliche Auswirkungen, da neue Lieferengpässe ausgehend von China, der „Werkbank der Welt“ befürchtet werden. Das generelle Thema Lieferengpässe bleibt zudem weiterhin ein Belastungsfaktor für die Wirtschaft, da beispielsweise im Halbleiter-Sektor die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nach wie vor herrscht. Derzeit ist in manchen Wirtschaftsbereichen aus vielen Gründen fraglich, ob überhaupt wieder zu einem Zustand der Lieferketten wie er vor Pandemie-Zeiten geherrscht hat, zurückgekehrt werden kann.

Der Ukraine-Krieg verschärft die Risiken durch Lieferengpässe zusätzlich. Besonders an den Energiemärkten sind erhebliche Verwerfungen entstanden, da die Öl-Preise explodiert sind und der Westen langfristig ernsthafte Signale sendet, sich in Energiefragen von Russland unabhängiger zu machen. Das wird langfristige Änderungen und damit erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungsketten von Öl und Gas haben.

Im Zusammenspiel mit den anhaltenden Lieferengpässen und der lockeren Geldpolitik der Notenbanken als Stabilisierungsmaßnahme der Wirtschaft in den Hochzeiten der Pandemie ist die Inflation als Symptom und großer Belastungsfaktor für die Wirtschaft aufgetreten. Das Ergebnis der corona-bedingten Lockdowns, der Geldspritzen seitens der Regierungen und Notenbanken und nun des Ausbruchs des Ukraine-Krieges ist ein in vielen Wirtschaftssektoren erheblich zurückgegangenes Angebot auf der einen Seite und eine enorm gestiegene Nachfrage auf der anderen Seite. Die Produktion vieler Unternehmen wurde in den diversen Lockdowns heruntergefahren, was die weltweiten Lieferketten beschädigt hat. Der Krieg sorgt aufgrund der geopolitischen Verwerfungen für eine weitere Instabilität der Lieferketten.

Der auf der Welt größtenteils stattgefundene Ausstieg aus den Corona-Lockdowns und der härtesten Maßnahmen haben in Kombination mit Stimulus-Checks für Unternehmen und private Konsumenten die Nachfrage erheblich befeuert. Infolgedessen ist die Inflation in den letzten Monaten immer mehr außer Kontrolle geraten.

Daraus ergibt sich der dritte Risikofaktor: Die Zinswende der US-Notenbank. Die Federal Reserve plant in diesem Jahr stand März 2022 insgesamt 7 Zinserhöhungen, wobei laut jüngsten Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell auch einzelne Zinserhöhungsschritte vorgenommen werden könnten, die mehr als 0,25 Prozent betragen. Dass die Notenbank die aus den Fugen geratene Inflation bekämpfen will, ist naheliegend und angesichts einer Inflationsrate von fast 8 Prozent in den USA auch absolut notwendig, jedoch bestehen erhebliche Zweifel, ob die US-Notenbank überhaupt dazu in der Lage ist, ohne der Wirtschaft enormen Schaden zuzufügen. Durch höhere Leitzinsen soll die Nachfrage und damit indirekt die Inflation gedrosselt werden, da die Kapitalaufnahme wieder teurer wird.

Die Hauptgründe für die derzeitige Inflationsentwicklung liegen jedoch wie beschrieben in den Problemen auf der Angebotsseite. Selbst durch die nun angekündigte und mit der ersten Leitzinserhöhung gestarteten Wende hin zu einer Umgebung mit höheren Zinsen ist das Umfeld für die Wirtschaft immer noch sehr ausgabenfördernd, da der US-Leitzins von 0,25 – 0,5 Prozent und eine gleichzeitige Inflation im Bereich von 8 Prozent im US-Sektor und über 5 Prozent in der Eurozone die Nachfrage nach Rohstoffen zur Produktion kurz- bis mittelfristig kaum senken kann.

Die Wahrscheinlichkeit für ein Szenario, indem es eine Rezession einzelner Wirtschaftszonen oder sogar weltweit geben wird und dabei eine gleichzeitig weiter grassierende Inflation herrscht, wächst daher zusehends. Dieses Umfeld eines schwachen Wirtschaftswachstums mit daraus entstehender höherer Arbeitslosigkeit und eine gleichzeitig hohe Inflation wird als Stagflation bezeichnet.

Wie sollte man als ETF-Investor mit der derzeitigen Markt-Lage umgehen?

Es wäre falsch, die Augen vor der Möglichkeit zu verschließen, dass es in den nächsten Monaten bis Jahren zu einer weltweiten Rezession kommen kann. Die derzeitige Lage ebnet weiteren wirtschaftlichen Schäden den Weg und die Werkzeuge der Staaten und Notenbanken sind zu limitiert, als dass diese Probleme ohne große Mühen abgefedert werden könnten.

Ein möglicherweise lange anhaltender Bärenmarkt muss in die eigene Investmentstrategie bei der Anlage in Aktien mit einkalkuliert werden. Generell versprechen tiefere Kursstände auch niedrigere Einstiegskurse und geben langfristig mehr Spielraum für höhere Gewinne. Ein halbwegs genaues Zeitfenster für eine möglicherweise bevorstehende schwache Marktphase zu bestimmen ist angesichts der Unsicherheit jedoch unrealistisch. Hier gilt zunächst die individuelle Situation eines jeden Investors. Wer noch viel Zeit zu investieren hat, der kann sich eher auf die These verlassen, dass die Märkte langfristig immer steigen und Krisen wie die derzeitigen ausgesessen und langfristig zum eigenen Vorteil genutzt werden können, da man günstigere Einstiegspreise nutzen kann. Für Anleger, die der Rente näher und daher auf ihr durch Investments angespartes Kapital angewiesen sind, gilt jedoch mehr Vorsicht, da ein eventuell stattfindender Crash, ausgelöst durch eines oder mehrere der oben beschriebenen Ereignisse, empfindliche Auswirkungen auf die eigenen Finanzplanungen haben kann.

Zudem muss man die These der ewig steigenden Märkte angesichts der heutigen Entwicklungen in einem neuen Licht betrachten. Langfristig wird die Wirtschaft sich immer wieder von Krisen erholen, jedoch kann sich die Dynamik bezogen auf die zeitlichen Abstände enorm verändern. Zum einen ist eine weitere Spaltung der globalen Wirtschaft und der politischen Haltung verschiedener Staaten denkbar. Angefangen hat dies bereits mit dem Handelsstreit zwischen den USA und China, der seit dem Jahr 2018 immer größere Dimensionen annimmt und ein zunehmendes Auseinanderdividieren der beiden Wirtschaftsgroßmächte erkennbar macht. Die Corona-Pandemie hat die weltweiten Lieferketten beschädigt und wird langfristig viele Wirtschaftsregionen dazu bewegen, sich auf Versorgungsebene wieder lokaler aufzustellen - ebenfalls ein Faktor, der eine weitere Spaltung begünstigen kann. Zudem zeigen nun die geopolitischen Verwerfungen um den Ukraine-Krieg herum eine Abspaltung des Westens von Russland, was sich wie bereits beschrieben vor allem auf die Lieferketten an den Energiemärkten auswirken wird. Zuletzt besteht vor allem in den westlichen Ländern aber beispielsweise auch für China das langfristige Problem des demografischen Wandels. In vielen bedeutenden Wirtschaftszonen wird die Bevölkerung immer älter und es kommen weniger Arbeitskräfte nach. Auch das wird sich langfristig auf den wirtschaftlichen Output dieser Wirtschaftszonen auswirken.

Diese Entwicklungen in Kombination mit den Folgen der lockeren Geldpolitik, die in vielen Assetklassen, vor allem aber bei Aktien für ein deutliches Aufblähen der Kapitalmenge gesorgt haben, deuten auf ein mögliches Szenario hin, in dem Aktien langfristig schwächer performen könnten. Die Risiken einer schwächeren Wirtschaft, geringeren Unternehmensgewinnen und höheren Kosten durch die anhaltende Inflation werden größer, während das Wachstumspotenzial schwindet.

Diese These spricht jedoch trotzdem nicht generell gegen Aktien, da es nur wenige Alternativen gibt, die bei gleichzeitig annehmbarem Risiko das Potenzial haben, eine Rendite zu erzielen, die die Inflation auffängt. Die Inflationsproblematik lässt eine Verwahrung des eigenen Kapitals in Geld nicht zu, die Kosten bzw. der Grad der Geldentwertung ist zu hoch. Anleihen sind ebenfalls keine attraktiven Investments mehr, da die Renditen zwar steigen, der Inflationsentwicklung jedoch extrem hinterherhinken - mit Anleihen verbrennt das Geld derzeit nur etwas weniger schnell. Auch wenn Aktien aufgrund der enormen Risiken in den nächsten Jahren durchschnittlich schlechter performen sollten als in den vorherigen Jahren, ist diese Assetklasse trotz des derzeitigen Risikoaufschlags immer noch eines der besten Vehikel, damit das eigene Kapital zumindest erhalten oder im Bestfall vermehrt werden kann.

Dennoch hat der bedingungslose Glaube an die These, dass Aktien langfristig immer steigen, angesichts der Veränderungen an den Märkten und der globalen politischen Gefüge nicht mehr die Selbstverständlichkeit wie noch vor einigen Jahren. Auch für ETF-Anleger wird das Thema Diversifikation jetzt wichtiger. Dazu sollten die einzelnen Wirtschaftsregionen, sowie die Situation an den Devisenmärkten betrachtet werden.

Europa

Passive Investments in den europäischen Wirtschaftsraum bieten sich vor allem über den Eurostoxx 50, die diversen Eurostoxx-Sektor-Indizes oder auch über Sparpläne in die Dax-Familie an, da Deutschland die mit Abstand stärkste Wirtschaftszone der Eurozone ist. In der Phase der Pandemie, nachdem die Notenbanken und Staaten mit riesigen Geldprogrammen die Wirtschaft gestützt haben, ist der europäische Sektor den USA, vor allem im Bereich der Technologie-Werte, deutlich hinterhergehinkt. Während die USA ihr Pulver bereits größtenteils verschossen haben, wurde von vielen Analysten mit den erst noch in Kraft tretenden, umfangreichen Programmen der EU, um die Wirtschaft wiederaufzubauen und vor allem um den Green New Deal umzusetzen und die Wirtschaft klimaneutral zu machen, mit einem starken Nachholeffekt gerechnet. Der ausgebrochene Ukraine-Krieg und vor allem auch die geografische Nähe zum Konfliktgebiet, sowie die enormen Risiken für die deutsche Wirtschaft und in Teilen auch den Rest Europas haben diese Hoffnung jedoch getrübt. Es bleibt nun unklar, wie solide die europäische Wirtschaft durch die Mehrfachbelastung der wirtschaftlichen Klima-Umrüstung, den erheblichen Unsicherheiten in Energiefragen durch den Krieg und die auch von der EZB erwartete Zinswende manövrieren kann.

Speziell die Zinssituation im Euro-Raum gestaltet sich als schwieriger als in den USA, da die EU nach der Finanzkrise, anders als die USA, überhaupt nicht aus ihrer Nullzins-Politik herausmanövrieren konnte. Aufgrund der teils desaströsen Schuldenlage der südlichen EU-Länder hat die europäische Zentralbank im Grunde keinen Spielraum die Zinsen zu erhöhen, ohne dass die Mittelmeerstaaten an ihren Schulden zugrunde gehen. Im Falle des Schuldenproblems stellt die Inflation sogar eine - wenn auch sehr zweifelhafte - Lösung dar, da die Schulden so „weginflationiert“ werden können. Die durch die Inflation verursachten wirtschaftlichen Folgeschäden sind bei diesem Argument jedoch außenvor gelassen - sollte die Inflation überhaupt nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden können, wären diese existenzbedrohend für die betroffenen Staaten. Innerhalb Europas ist Deutschland immer noch der solideste Wirtschaftszweig, da die Unternehmen trotz der diversen Unsicherheiten größtenteils sehr robust aufgestellt sind und auch schwere Zeiten langfristig aushalten dürften. Von einer komplett außer Kontrolle geratenen Inflation wäre jedoch der Eurozonen-Sektor als Ganzes betroffen.

USA

Die USA sind immer noch die mächtigste Wirtschaftszone der Welt, was zunächst eine gewisse Widerstandskraft in Krisenzeiten erzeugt. Jedoch stehen auch die USA angesichts der dort noch stärker grassierenden Inflation vor einer enormen Herausforderung. Es ist fraglich, ob die US-Notenbank die Zinswende mit einer „sanften Landung“ der Wirtschaft, wie Fed-Chef Jerome Powell es zuletzt immer wieder angesprochen hatte, bewerkstelligen kann. Zudem kommt im Fall der USA ein weiteres langfristiges Risiko hinzu. Auch wenn dieses Szenario eher in den nächsten Jahrzehnten als unmittelbar ein Problem darstellen könnte und der Ausgang dieses Problemszenarios nur schwer prognostiziert werden kann, sollte man als Anleger zumindest im Hinterkopf behalten, dass die derzeitigen geopolitischen Verwerfungen auch enorme Auswirkungen auf die Stellung des Dollar im globalen Finanzsystem haben könnten.

Derzeit spielt der US-Dollar eine essenzielle Rolle in der Weltwirtschaft und kann als indirekte Weltleitwährung betrachtet werden. Das gibt den USA wirtschaftliche und politische Macht. Vereinfacht gesagt können die USA Schulden machen und sich Rohstoffe, andere Güter und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt erwerben, in dem sie Schulden machen und diese aus der Druckerpresse bedienen, da sie die Kontrolle über den US-Dollar innehaben. Das extreme staatliche Haushaltsdefizit, das nun schon seit Jahren vorherrscht, lässt sich nur anhand des Umstands aushalten, dass die USA den Dollar kontrollieren.

Die jüngsten Ereignisse, beispielsweise das Einfrieren der Dollar-Reserven der russischen Notenbank, oder die Bemühungen Chinas, die eigene Währung Yuan digital zu machen und stärker auf dem Weltmarkt zu etablieren, zeigen bereits Tendenzen, dass der Dollar seine Vormachtstellung auf schleichendem Wege verliert. Aufgrund der erkennbaren Spaltung zwischen Ost und West werden die Überlegungen und Bemühungen vieler Länder in den nächsten Jahren wahrscheinlich zunehmen, sich vom US-Dollar unabhängiger machen zu wollen. Dafür sprechen auch die weltweiten Goldkäufe der Notenbanken, die wieder zugenommen haben. Laut Daten des World Gold Council sind die Netto-Goldkäufe der Notenbanken 2021 im Vergleich zum Vorjahr um über 80 Prozent gestiegen. Seit dem Jahr 2009, also ein Jahr nach der Finanzkrise sind die Zentralbanken der Welt in Summe Goldkäufer, häufen also mehr Gold an als sie wieder verkaufen.

Das wiederum würde ein erhebliches Risiko für die USA darstellen, denn wenn der Dollar seine Stellung auf dem Weltmarkt einbüßt, dann werden die Schulden der USA real und lassen sich - grob gesagt – nicht mehr über die Druckerpresse bedienen, da die Gläubiger anders entschädigt werden wollen. Diese These ist sehr langfristig gedacht. Damit die USA ihre Stellung als globale Wirtschaftsmacht und der Dollar an Relevanz verlieren, muss noch einiges passieren. Dennoch sollte man auch das ganz langfristige Bild bei der eigenen Investmentstrategie nicht außenvorlassen. Vor allem, wenn US-Aktienwerte einen großen Teil des ETF-Sparplans ausmachen. Das gilt nicht nur für Investments in die US-Indizes wie den marktbreiten S&P 500 oder den Technologie-Index Nasdaq, sondern auch in den MSCI World, dessen Gewichtung stark auf US-amerikanische Werte konzentriert ist.

Emerging Markets

Die Emerging Markets, über die viele Investoren vor allem in Form von ETFs investieren, versprechen schon lange eine langfristig hohe Renditechance. Bisher haben die westlichen Wirtschaftssektoren jedoch Performanceseitig die Nase vorn. Ein langfristiges Aufholen des technologischen und wirtschaftlichen Abstands zum Westen durch Länder wie Indien oder den afrikanischen Wirtschaftsraum hat das Potenzial für extreme Renditen. Jedoch ist auch hier die wachsende Spaltung neben den weltweiten Problemen der Pandemiefolgen und Lieferkettenprobleme ein Risiko. Neben der Frage, ob diese Wirtschaftszonen überhaupt in absehbarer Zukunft die Lücke schließen können, wird es für westliche Investoren in den nächsten Jahren potenziell schwieriger, überhaupt Zugang zu diesen Unternehmen zu bekommen. Vor allem China hat in den letzten Monaten die regulatorischen Zügel deutlich gestrafft und die Zukunft in den USA gelisteter chinesischer Firmen steht spätestens seit dem Ausbruch des Handelsstreits auf wackligen Füßen. Zwar gab es zwischenzeitlich Entspannungssignale, doch angesichts der wachsenden Spaltung der letzten Jahre bleiben für Investoren in diese Märkte große Unsicherheitsfaktoren bestehen.

Wirtschafts-Sektoren

Neben dem regionalen Investmentansatz für ETF-Anleger streuen viele Investoren ihr Kapital auch sektorspezifisch. Hier gelten dieselben Risiken, die sich auf die jeweiligen Sektoren auswirken. Die eingeleitete Zinswende hat in den letzten Monaten eine Kapitalumschichtung hinaus aus Wachstumswerten und hinein in Value-Titel gezeigt. In schwierigen Wirtschaftsphasen sind es in der Regel die etablierten Unternehmen mit starken Geschäftsmodellen und einer hohen Nachfrage nach essenziellen Bedürfnissen der Gesellschaft, die am besten durch die Krisenzeit kommen. Währenddessen gestaltet sich das Umfeld höherer Zinsen für Wachstumsunternehmen, die oft noch Jahre vom Erreichen Schwarzer Zahlen entfernt sind, als schwieriger, da die Kapitalaufnahme teurer wird - von dem sie reichlich brauchen.

Mit der Menschheitsaufgabe des Klimawandels und den in den letzten Jahren ernsthafter gewordenen Bemühungen der US-Regierung, der Europäischen Union und auch des langfristigen Plans der chinesischen Regierung kann man jedoch davon ausgehen, dass der Sektor der erneuerbaren Energien langfristig ein erhebliches Wachstum aufweisen wird, da zum einen der Bedarf an sich und zum anderen die Unterstützung durch die Staaten in Zukunft eine deutliche Stütze sein werden.

Inflationsschutz

Neben dem Blick auf Aktien muss man als Investor angesichts der angesprochenen Risiken, die auch für das Geldsystem gelten, auf Alternativen für den Inflationsschutz schauen. Aktien als Unternehmensanteile versprechen eine Wertsteigerung, wenn das Unternehmen langfristig lukrativ arbeitet, Produkte oder Dienstleistungen von Wert erzeugt und damit an Wert wächst. Zudem schütten viele Aktien-Unternehmen eine Dividende aus, die den Anlegern zugutekommen. Unternehmen sind jedoch abhängig vom Geldsystem, da sich die Wertschöpfung nur durch Geld als Werkzeug umsetzen und verwahren lässt.

Angesichts der Probleme, die sich mehr und mehr auf der strukturellen Ebene des Geldes erkennen lassen, können auch Aktien daher nur bis zu einem gewissen Grad vor den Risiken durch Inflation oder gar dem kompletten Zusammenbruch von bestimmten Währungen schützen. Auch hier gilt wieder: eine ernsthafte Gefährdung der strukturellen Stabilität des Euro-, Dollar-, Yuan- oder anderer Geldsysteme ist ein sehr pessimistisches Szenario und liegt in einer möglichen Prognose erst in einem Zeitraum von Jahrzehnten, jedoch wäre es angesichts der derzeitigen fundamentalen Lage an den Finanzmärkten auch auf dieser Ebene falsch, ein solches Szenario nicht in Betracht zu ziehen, vor allem, wenn man sehr langfristig investieren möchte.

Eine größere Diversifikation, nicht nur innerhalb der Assetklasse Aktien, sondern darüber hinaus, um sich vor den langfristigen Gefahren der Inflation zu schützen, wird daher zunehmend sinnvoller. Hier bieten sich zwei Optionen als die vielversprechendsten und effizientesten an: Das Edelmetall Gold und die Kryptowährung Bitcoin.

Gold hat einen historisch einmaligen Track-Rekord als Geld, es wurde jahrtausendelang als Währung verwendet und bis in die 70er war auch der US-Dollar mit Gold gedeckt. Als Schmuck, Münzen oder Barren wird Gold auch seit frühesten Zeiten von Privatleuten als Wertspeicher verwendet. Gold hat staatenunabhängig eine Daseinsberechtigung und wird wahrscheinlich immer einen Wert für Menschen haben. Daher eignet sich das Edelmetall hervorragend als Inflationsschutz mit langfristigem Horizont. In der schlimmsten Phase der Eurokrise hat das Edelmetall ein Rekordhoch erreicht, ist in den Folgejahren der Assetklasse Aktien was die Performance angeht jedoch enorm hinterhergehinkt. Das durch die lockere Geldpolitik und das Nullzinsumfeld freigewordene Kapital ist in dieser Phase vornehmlich in Aktien oder auch Immobilien geflossen, da diese Assetklassen als einzige Renditen gebracht haben. Zudem hat die künstlich erzeugte Liquidität in dieser Phase in der Realwirtschaft keine Steigerung der Inflation bewirkt, da das Geld nicht in Form von Krediten auf den Markt geflossen ist, sondern größtenteils von den Banken als Guthaben bei den Zentralbanken gehortet wurde. In diesem Umfeld war Gold wenig attraktiv. Mit der Corona-Pandemie und der nun ausufernden Inflation hat sich das jedoch geändert. Nach einem neuen Allzeithoch im Sommer 2020 ist der Goldpreis zwar wieder zurückgefallen, angesichts der Unklarheit über die weitere Inflationsentwicklung und der zunehmenden Instabilität im Gefüge des internationalen Geldsystems sprechen jedoch immer mehr Argumente für Gold als langfristigen Schutz. Die Tatsache, dass die Zentralbanken bereits seit der Zeit der Finanzkrise jährlich Netto-Goldkäufer sind, spricht Bände.

Neben Gold bietet sich Bitcoin ebenfalls als Inflationsschutz an - und das aus ähnlichen Gründen. Bitcoin ist mit seiner Marktkapitalisierung von weniger als einem Zehntel von Gold als Asset noch unbedeutend in dieser Hinsicht, jedoch lässt die Kryptowährung in ihrem nun mehr als 10-jährigen Bestehen ein exponentielles Wachstum erkennen. Mit dem südamerikanischen Staat El Salvador hat ein Land die Kryptowährung bereits als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. In etlichen weiteren Ländern dient er der Bevölkerung bereits als Fluchtvehikel aus den Landeswährungen wie dem argentinischen Peso oder der türkischen Lira, die von der Inflation aufgefressen werden. Anhand des Beispiels der eingefrorenen russischen Dollar-Reserven im Zuge der Westlichen Sanktionen wird zudem der Nutzen von Bitcoin für Firmen und Staaten ersichtlich, da Bitcoin ein komplett autonomes, dezentrales und daher nicht manipulier- oder kontrollierbares Zahlungssystem ist, welches vor Einschränkungen monetärer Art Schutz bietet. Bitcoin kann als technologische Weiterentwicklung von Gold betrachtet werden, mit dessen Stärken aber ohne viele der Schwächen von Gold - unter anderem beim Transport und in Sachen Kontrolle. In einer Zukunft, in der sich auch die Strukturen des Finanzsystems und die Dominanz von Währungen wie dem Dollar oder Euro verschieben, wird Bitcoin definitiv noch eine große Rolle spielen und bietet sich daher als Inflationsschutz an.

Das Fazit für passive Investoren

Passives Investieren über langfristige Sparpläne mittels ETFs, die eine breite Streuung in den Markt einfach umsetzbar machen, bleibt nach wie vor eine sinnvolle und effektive Strategie. Aktien werden auch in Zukunft eines der besten Anlagevehikel bleiben, da man über sie an der Wertschöpfung der Unternehmen und der gesamten Wirtschaft teilhaben kann. Jedoch erfordern diese Zeiten es auch für passive Investoren, ein wenig mehr auf die Diversifikation zu achten. Es ist gefährlicher geworden, sich lediglich auf ein Wirtschaftssegment oder eine Wirtschaftsregion zu konzentrieren. Eine breitere Streuung innerhalb der Assetklasse Aktien und ein Engagement darüber hinaus, um gegen das übergeordnete Risiko der Inflation besser gewappnet zu sein, ist eine sinnvolle Ergänzung der Investmentstrategie, die man in Betracht ziehen sollte.

Von Alexander Mayer

Titelfoto: kentoh / Shutterstock.com

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