Die wichtigste Lektion für Anleger am Anfang

Bernd Schmid · Uhr

Jeder Anleger macht Fehler. Auch die mit der meisten Erfahrung. Wichtig ist, dass man die Lektionen aus seinen Fehlern (oder auch den Fehlern anderer) lernt, um ähnliche Fehler in Zukunft vermeiden zu können. Dadurch wird man besser und der Anlageerfolg wird etwas weniger abhängig von Glück und Zufall.

Für mich gibt es eine Lektion, die wichtiger ist als alle anderen, die ich bisher gelernt habe. Auch wenn es Liz Ann Sonders, Chief Investment Strategist bei Charles Schwab, war, die mich erst darauf gebracht hat.

„Für das erfolgreiche Investieren kommt es nicht darauf an, was man darüber weiß, was in der Zukunft passieren wird. Es kommt darauf an, was man tut.“ – Liz Ann Sonders

Die Zukunft ist immer ungewiss

Egal, was man heute weiß. Wer garantiert einem, dass das morgen noch stimmt? Das beste Beispiel war die weltweite Finanzkrise 2008/2009. Während das Finanzsystem sprichwörtlich am Abgrund stand, wurden ein paar Regeln geändert, die dazu führten, dass es doch wieder bergauf gehen konnte.

Oder das HolidayCheck-Beispiel, das ich vor wenigen Wochen detaillierter beleuchtete. Vor 2020 hatte das Unternehmen eine ganz klar und sehr deutlich unterbewertete Aktie. Als sich dann herausstellte, dass es für viele Menschen für eine ganze Weile erst einmal nichts mit einem schönen Strandurlaub wird, änderte sich diese klare und deutliche Unterbewertung praktisch über Nacht.

Der langfristige Investitionserfolg wird daher nicht davon bestimmt, ob man aufgrund seines Wissens bessere Prognosen über die Zukunft anstellen kann als andere.

Mehr Wissen auf Basis detaillierterer Recherche ist natürlich nicht automatisch ein Nachteil. Noch wichtiger für den Investitionserfolg ist jedoch der eigene Investitionsprozess, den man über die Zeit diszipliniert befolgt.

Konsistentes Verhalten durch einen festen Investitionsprozess

Dieser Prozess kann von Anleger zu Anleger komplett unterschiedlich aussehen. Auf der einen Seite gibt es Anleger wie Stan Druckenmiller, der alles mögliche von Aktien über Anleihen bis hin zu Währungen handelt und es geschafft hat, in einem 30-Jahres-Horizont nicht einmal eine negative Rendite zu erwirtschaften. Auf der anderen Seite gibt es die Warren Buffetts dieser Welt, die fast ausschließlich in das Eigenkapital von Unternehmen investieren und die fest mit 30%igen und noch stärkeren Kursrückgängen rechnen und diese ignorieren.

Auf der einen Seite gibt es Aktieninvestoren wie Philipp Fisher, deren Portfolio von kaum mehr als einer Hand voll Aktien dominiert wird. Auf der anderen Seite gibt es Aktieninvestoren wie Peter Lynch, die teilweise tausende von Aktien im Portfolio haben.

Alle diese vier Anlegertypen haben es zu außerordentlichen Renditen über Zeiträume von Jahrzehnten geschafft. So unterschiedlich deren Investitionsansätze waren, sie alle haben gemeinsam, dass sie jeweils einem festen Investitionsprozess folgen, der ihr Handeln als Investor bestimmt.

Den eigenen Prozess festlegen

Das Schwierigste zu Beginn der eigenen Investitionsreise ist es, den für sich richtigen Prozess zu finden. Dabei ist es gar nicht so wichtig, von Anfang an genau richtig zu liegen. Ich selbst habe zum Beispiel als Daytrader angefangen und erst dann das langfristige, fundamental orientierte Investieren für mich entdeckt. Und selbst als fundamentaler Anleger habe ich über die Jahre meinen Prozess ständig verändert und (hoffentlich zum Besseren) weiterentwickelt.

Hier sind einige Fragen, die ich mir selbst stellen würde, um damit zu beginnen:

Was ist mein Ziel beim Investieren? Also geht es mir zum Beispiel darum, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen oder ist mir der Kapitalerhalt wichtiger? Oder geht es mir am Anfang erst einmal darum, möglichst viel zu lernen?

Welchen Zeithorizont habe ich? Rechne ich damit, dass ich noch ein paar Jahrzehnte Geld verdienen und in mein Portfolio alleine dadurch signifikant aufstocken kann oder möchte ich in ein paar Jahren einen bestimmten Betrag aufbauen, um mir zum Beispiel ein Haus zu kaufen?

In was möchte ich investieren? Will ich mich auf eine Kategorie wie Aktien fokussieren oder bin ich offen, in alles zu investieren, was eine positive Rendite bringen kann? Reicht es mir aus, in passive Investitionsvehikel zu investieren oder bin ich doch ein eher aktiver Anleger?

Wie finde und recherchiere ich Investitionsideen? Möchte ich mich hierbei lieber auf mich selbst verlassen oder bin ich offen für die Ideen und Recherchen von anderen?

Wie stark möchte ich mein Portfolio streuen? Oder anders herum gefragt: Wie genau möchte ich mein Portfolio jederzeit verstehen? Manche Anleger legen sich gerne alles Vielversprechende ins Portfolio und vergessen die Positionen dann, andere haben nur 5-15 Positionen, die sie sehr intensiv beobachten.

Wie möchte ich Positionen auf- und abbauen? Gehe ich „all in“, sobald ich eine neue Investitionsidee entdeckt habe? Oder baue ich meine Positionen lieber über die Zeit und mit Bedacht auf?

Nicht stur bleiben

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die Antworten auf diese Fragen über die Zeit verändern, so wie es bei mir der Fall war. Das ist nicht schlimm, man lernt sich über die Zeit einfach auch selbst besser kennen und darf seine Meinung ändern.

Das Wichtigste ist nur, dass man auf Basis der eigenen Antworten dann einen Investitionsprozess definiert, den man zwar weiterentwickeln, aber an dem man über Zeit festhalten kann. Das Ziel sollte sein, dass man niemals auf Basis von Emotionen handelt, sondern immer auf Basis des Prozesses.

Offenlegung: Bernd besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool empfiehlt Charles Schwab.

Foto: Elnur / Shutterstock.com

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