Biontech – ein todsicheres Investment? Fast, aber nicht ganz.

Bernd Schmid · Uhr

Anfang letzter Woche erreichte die Welt die Nachricht von der vollständigen Zulassung des BioNTech-Impfstoffs in den USA. Die Aktie zeigte sich unbeeindruckt. Ist das die Chance für langfristige Anleger? Ich zweifle daran, trotz eines kaum besser möglichen Geschäftsmodells.

Die Kassen sprudeln

Hinter BioNTech steckt zwar mehr als nur der Coronaimpfstoff. Aber dieses Produkt bestimmt den aktuellen finanziellen Erfolg des Unternehmens. In der ersten Jahreshälfte 2021 lieferte man mehr als eine Milliarde Impfstoffdosen in mehr als 100 Länder aus. Dies führte zu einem Umsatz von rund 7,4 Mrd. Euro und einem Nettogewinn von 3,9 Mrd. Euro – das entspricht einer sagenhaften Nettomarge von fast 53 %.

Insgesamt unterzeichnete man Verträge über die Auslieferung von rund 2,2 Milliarden Impfdosen … alleine im Jahr 2021. Der geneigte Leser kann selbst überschlagen, was das für Aktionäre bedeuten kann.

Ein sagenhaftes Geschäftsmodell

Wie großartig das Geschäftsmodell ist, erahnt man schon beim Blick auf den Beginn der Story. Das Online-Magazin Managed Healthcare Executivezitiert in einem Artikel, dass die Forschung und Entwicklung des Impfstoffes rund 1 Milliarde US-Dollar kostete.

Ich muss zugeben, dass ich nicht ganz im Klaren darüber bin, wer wie viel davon finanzierte. Was laut Wikipedia jedoch bekannt ist: BioNTech erhielt unter anderem für seine Impfstoffentwicklung 375 Mio. Euro als Förderung von der Deutschen Bundesregierung. Damit wurde ein sehr großer Teil der Impfstoffentwicklung finanziert.

Ein sehr genialer Deal für die Aktionäre, denn: Einige Monate vorher musste man laut Wikipedia für nicht einmal ein Drittel dieser Summe immerhin 1,58 Millionen Aktien und die zukünftigen Entwicklungs- und Marketingrechte des Impfstoffs an das Unternehmen Fosun abtreten.

Und das war vielleicht nicht einmal der beste Deal. Dieser könnte in den Verträgen zu den Impfstofflieferungen liegen. Diese sind leider nicht öffentlich. Oder sollten es zumindest nicht sein. Es scheint allerdings einen Leak gegeben zu haben von Verträgen, die Pfizer mit Regierungen geschlossen hat. Ich selbst kann die Echtheit der Dokumente nicht verifizieren. Aber gewisse Passagen würden erklären, warum den Impfstoffherstellern so viel an der Geheimhaltung liegt. Wie zum Beispiel die folgende (übersetzt mit Deepl.com):

Der Käufer muss Pfizer Schutz vor der Haftung für Ansprüche und alle Verluste gewähren und diesen durch gesetzliche oder behördliche Vorschriften umsetzen, wobei die Angemessenheit dieser Bemühungen im alleinigen Ermessen von Pfizer liegt.

Sollten die Regierungen solchen Klauseln zugestimmt haben und sollte das nicht nur auf Pfizer, sondern auch auf BioNTech zutreffen, wären das aus meiner Sicht noch großartigere Neuigkeiten für Aktionäre.

Dann wäre nicht nur ein Großteil der Produktentwicklung von den Regierungen finanziert worden. Auch das Risiko, sollte das Produkt unerwünschte Nebenwirkungen haben, würde nach meiner Interpretation von den Regierungen getragen werden.

Der Jackpot kommt noch.

Die überzeugendste Vertriebsmannschaft der Welt

Jedes Produkt muss am Ende irgendwie an den Mann und die Frau gebracht werden. Bei diesem Produkt erledigt sich das schon zu einem gewissen Teil von selbst. Viele Menschen sehnten sich geradezu danach, einen Covid-Impfstoff verabreicht zu bekommen.

Und bei den Menschen, denen es nicht so geht, dort helfen wiederum die Regierungen dieser Welt nach. Sie vermarkten den Impfstoff als den Weg „zurück in die Freiheit“, wie es unter anderem der Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland sagt. Und wie ernst manche Regierungen das meinen, der muss nur nach Australien oder Neuseeland schauen.

Eine andere Strategie ist es, Unternehmen zu ersuchen, von ihren Mitarbeitern zu verlangen, sich impfen zu lassen, wie es US-Präsident Biden tut.

Aber dabei scheint es nicht zu bleiben. Durch die vielen Varianten des Virus scheint es darauf hinauszulaufen, dass man die Menschen regelmäßig geimpft sehen möchte. Israels Premierminister sagte zum Beispiel in aller Deutlichkeit (wieder übersetzt mit Deepl.com):

„Menschen, die zwei Impfungen erhalten haben, laufen mit dem Gefühl herum, dass sie geschützt sind … sie verstehen nicht, dass die zweite Impfung gegen „Delta“ verblasst ist – sie müssen sich schnell mit der dritten Dosis impfen lassen!“ — Quelle: Twitter, @Ranisraeli

Solche Argumente überzeugen dann selbst die Menschen, die sich von anderen Argumenten noch nicht haben überzeugen lassen. Einen überzeugenderen Vertrieb kann man sich als Unternehmen kaum wünschen.

Gibt es irgendetwas, das gegen die Aktie spricht?

Die Entwicklung des Produkts wurde zu einem großen Teil finanziell unterstützt durch Steuergelder. Dadurch wurden Aktionäre nicht unnötig verwässert.

Der adressierbare Markt für diesen Impfstoff dürfte deutlich im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Insbesondere, wenn es darauf hinausläuft, dass Impfstoffe speziell für einige Varianten entwickelt werden, wie es der Pfizer-Präsident ankündigte. Im besten Fall wird daraus fast so etwas wie ein Impfabo, das die Hersteller mit den Regierungen abschließen können.

Darüber hinaus bezahlt der Endabnehmer das Produkt gar nicht selbst. Zumindest nicht direkt, so dass er es in der eigenen Tasche spüren würde. Das erleichtert den Verkauf.

Und sollten sich schließlich doch noch Mängel an dem Produkt herausstellen, erscheint es mir so, dass am Ende auch nicht die Aktionäre bangen müssen, da das Risiko ebenfalls vom Steuerzahler übernommen werden könnte.

Am aktuellen Geschäftsmodell gibt es jedenfalls, zumindest rein aus Sicht der Aktionäre, überhaupt nichts zu meckern.

Auch die Bewertung der Aktie erscheint mir nicht überteuert: Die Marktkapitalisierung beträgt gerade einmal rund 70 Mrd. Euro. Nicht viel bei einem Nettogewinn von fast 4 Mrd. Euro alleine im ersten Halbjahr 2021 und diesen Aussichten.

Die zwei größten Risiken

Für mich persönlich ist die drängendste Frage, wie lange das Geschäftsmodell aufrecht erhalten werden kann. Das eine große Risiko ist, dass beim Impfstoffverkauf kaum davon gesprochen werden kann, dass dieser von einem freien Markt gesteuert wird. Daher tu ich mir persönlich schwer zu bewerten, wie lange diese Strategie funktionieren kann.

Das zweite große Risiko sehe ich darin, dass der Impfstoff mittel- bis langfristig doch größere Nebenwirkungen hat, als im Moment ersichtlich.

Dahingehend gibt es leider noch kaum Daten. Die Daten aus der jüngsten Studie, die Grundlage für die oben erwähnte Zulassung in den USA war, sind aus meiner Sicht bei weitem noch nicht ausreichend, um eine Bewertung zuzulassen.

Zum Beispiel gab es unter den rund 42.000 Teilnehmern der Studie (davon bekamen die Hälfte den Impfstoff und die andere Hälfte einen Placebo) bisher gerade einmal 29 Todesfälle – davon 15 in der Impfgruppe und 14 in der Placebogruppe.

Darunter waren gerade einmal drei Covid-19-Todesfälle – davon einer in der Impfgruppe und zwei in der Placebogruppe. Dafür gab es in der Impfgruppe zum Beispiel vier Todesfälle nach Herzinfarkt, im Vergleich zu einem in der Placebogruppe.

Allerdings findet man eine Ergänzung dazu: Nach dem Beobachtungszeitraum dieser Studie, also nachdem jeder Teilnehmer erfuhr, ob er geimpft wurde oder ob er in der Placebogruppe war, starben bisher noch fünf weitere Personen. Davon drei aus der Impfgruppe und zwei aus der Placebogruppe, die sich noch umentschieden und sich doch noch impfen ließen.

Auch aus den Daten zu den schwerwiegenden negativen Ereignissen kann man noch nicht sehr viel herauslesen. Wenn ich diese richtig interpretiere, dann gab es im Zeitraum zwischen der ersten Impfdosis bis einen Monat nach der zweiten Impfdosis 127 schwerwiegende negative Ereignisse in der Impfgruppe und 116 in der Placebogruppe.

Auf dieser Basis fand ich auch die Zulassung des Impfstoffs in den USA interessant. Ebenso wie die Tatsache, dass kurz darauf Direktor und Vizedirektor des Büros für Impfstoffzulassung der entsprechenden Zulassungsbehörde in den USA (der Food and Drug Administration, FDA) ihre Entscheidungen verkünden, ihre Jobs zu verlassen.

Ich persönlich fühle mich insgesamt daher weniger Wohl mit einer Investition in BioNTech, auch wenn sie aktuell noch so verlockend aussieht.

Offenlegung: Bernd besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.

Foto: lupmotion / Shutterstock.com

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