Thyssenkrupp-Chef wirbt nach Milliardenverlust für Stahl-Joint-Venture

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Essen (Reuters) - Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez wirbt nach einem Milliardenverlust für ein Joint Venture der Stahlsparte mit der Holding EPH des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky.

Thyssenkrupp benötige für die geplante Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion große Mengen an erneuerbaren Energien, sagte Lopez am Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz in Essen. "Deshalb führen wir konstruktive und ergebnisoffene Gespräche mit dem Energieunternehmen EPH." Die Stahlsparte bekäme im Fall einer Partnerschaft Planungssicherheit und langfristig Zugang zu erheblichen Mengen an Ökostrom und Wasserstoff. "Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Joint Ventures ist Gegenstand der aktuellen Verhandlungen."

Vorstandsmitglied Oliver Burkhard hob ebenfalls die Vorteile eines solchen Bündnisses hervor. "Die Auswirkungen für die Beschäftigten wären überschaubar." Steel Europe würde neben Thyssenkrupp einen weiteren Gesellschafter bekommen. Alle bestehenden Tarifverträge, alle Vereinbarungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie alle sonstigen Vereinbarungen im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung blieben unberührt. EPH-Chef Kretinsky unterstütze dies und sei darüber mit den Arbeitnehmervertretern direkt im Austausch.

Vorstandschef Lopez wollte sich nicht zu einem Zeitrahmen der Verhandlungen mit EPH äußern. Diese würden aber noch einige Zeit dauern. Für das mögliche Joint Venture gelte weiter das Modell einer Eigentümerschaft von 50:50. Sollten die Gespräche scheitern, habe Thyssenkrupp einen Plan B. Wie der aussehe, wolle er nicht sagen. Insidern zufolge gehören die hohen Pensionsverpflichtungen zu den schwierigsten Fragen. Diese betragen im Stahlbereich dem Konzern zufolge 2,6 Milliarden Euro.

STAHLSPARTE KÄMPFT MIT HOHEN ENERGIEKOSTEN

Thyssenkrupp rutschte im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende September) unter dem Strich tief in die Verlustzone. Nach Anteilen Dritter lief ein Nettoverlust von 2,1 Milliarden Euro auf nach einem Gewinn von zuvor 1,1 Milliarden Euro. Neben schwächeren Geschäften sei dies insbesondere auf Wertberichtigungen in der Stahlsparte zurückzuführen. Trotz der Verluste schlagen Vorstand und Aufsichtsrat für 2022/23 eine unveränderte Dividende von 15 Cent je Aktie vor. Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp einen Überschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich erzielen.

Den am Markt viel beachteten Free Cashflow Before M&A verbesserte der Konzern auf 363 Millionen Euro nach einem Minus von 476 Millionen Euro. Händlern zufolge ist das ein Grund für das Plus der Aktie von rund sieben Prozent am Mittwoch. "Die Zahlen zeigen, dass wir bei der Transformation von Thyssenkrupp trotz des schwierigen Umfelds vorangekommen sind, aber weiter hart an der Verbesserung der Performance unserer Geschäfte arbeiten müssen", betonte Lopez. Er setzt dabei unter anderem auf sein Programm APEX, mit dem er die Performance des Unternehmens verbessern will.

Die konjunkturanfällige Stahlsparte musste Abschreibungen auf das Anlagevermögen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro vornehmen. Die Sparte steht seit Jahren immer wieder zur Disposition. Im vergangenen Geschäftsjahr ging der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Bereichs unter anderem wegen niedrigerer Preise für den Werkstoff bei gleichzeitig hohen Energiekosten auf 320 Millionen Euro zurück von 1,2 Milliarden vor Jahresfrist. Im Gesamtkonzern fiel das bereinigte Ebit auf 703 Millionen Euro von rund 2,1 Milliarden Euro. Für das neue Geschäftsjahr peilt der Konzern einen Wert im hohen dreistelligen Millionenbereich an.

(Bericht von Tom Käckenhoff, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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